Lauf­zeit­ver­län­ge­rung deut­scher Atom­kraft­wer­ke stand bei Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tung der SPD in der Kritik

Der von der schwarz-gel­ben Bun­des­re­gie­rung beschlos­se­ne Aus­stieg aus Aus­stieg und somit die Ver­län­ge­rung der Lauf­zei­ten deut­scher Atom­kraft­wer­ke stand im Mit­tel­punkt einer Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tung des SPD-Unter­be­zirks Bayreuth.

„Die Lauf­zeit­ver­län­ge­run­gen sind Ergeb­nis eines Deals, den die Bun­des­re­gie­rung allein mit den vier gro­ßen, mäch­ti­gen Ener­gie­un­ter­neh­men aus­ge­han­delt hat. Genau wie im Finanz- und Gesund­heits­be­reich, zeigt sich hier ein besorg­nis­er­re­gen­des Ver­ständ­nis von Poli­tik: Nicht die Inter­es­sen der Bevöl­ke­rung ste­hen im Mit­tel­punkt, son­dern die Wün­sche mäch­ti­ger Kon­zer­ne. Damit hat die Bun­des­re­gie­rung die ener­gie­po­li­ti­sche Dis­kus­si­on in Deutsch­land pola­ri­siert und nimmt über Jah­re hin­weg gesell­schaft­li­che und recht­li­che Kon­flik­te in Kauf“, kri­ti­sier­te die Unter­be­zirks­vor­sit­zen­de Anet­te Kram­me im voll­be­setz­ten Saal der Gast­stät­te „Zum Brandenburger“.

„Die gro­ße Reso­nanz zu der Ver­an­stal­tung zeigt deut­lich, dass die Men­schen eben nicht mit dem Atom­kurs der Bun­des­re­gie­rung ein­ver­stan­den sind und sich dage­gen weh­ren“, so Kram­me wei­ter. Die Atom­kraft­wer­ke wei­sten jetzt schon Sicher­heits­män­gel auf – je älter umso mehr. Trotz­dem soll­ten nun sogar die Lauf­zei­ten der älte­sten sie­ben Reak­to­ren um acht Jah­re ver­län­gert werden.

„Damit wird das Risi­ko nicht nur ver­län­gert, son­dern erhöht, da auch Reak­to­ren altern und ver­schlei­ßen und bei einer län­ge­ren Bela­stung der Reak­to­ren die Wahr­schein­lich­keit von gefähr­li­chen Zwi­schen­fäl­len steigt. Obwohl der Bun­des­re­gie­rung die­se Fak­ten bekannt sind, hat sie mit den Kern­kraft­be­trei­bern in einem Ver­trag ver­ein­bart, dass die Kosten für Sicher­heits­nach­rü­stun­gen bei 500 Mil­lio­nen Euro gedeckelt werden“.

Dane­ben sei es auch ein Mär­chen, dass Atom­strom bil­lig sei. Atom­strom sei für die Betrei­ber gün­stig, weil die AKW abge­schrie­ben sind und der Steu­er­zah­ler die Atom­ener­gie mit Mil­li­ar­den­be­trä­gen sub­ven­tio­niert habe. „Die gün­sti­gen Pro­duk­ti­ons­ko­sten für Atom­strom wir­ken fak­tisch nicht preis­dämp­fend, son­dern erhö­hen ledig­lich die Gewin­ne der vier gro­ßen Ener­gie­ver­sor­gungs-unter­neh­men. Das liegt dar­an, dass für die Bil­dung des Strom­prei­ses an der Leip­zi­ger Strom­bör­se das teu­er­ste Kraft­werk maß­geb­lich ist. Dies ist in der Regel kein Atom‑, son­dern ein fos­si­les Kraft­werk. Die Bür­ger pro­fi­tie­ren also nicht vom „gün­sti­gen“ Atom­strom“, erläu­ter­te die Bundestagsabgeordnete.

Als Grund­la­ge der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on dien­te die ZDF-Doku­men­ta­ti­on „Tot­ge­sag­te leben län­ger – Das Come­back der Kern­kraft“, die ein­drucks­voll die Hin­ter­grün­de des Atom­deals der Bun­des­re­gie­rung auf­zeigt. In der Doku­men­ta­ti­on kom­men unter ande­rem auch Insi­der aus Mini­ste­ri­um und Wirt­schaft zu Wort und geben Ein­blicke in teils bri­san­te Ein­zel­hei­ten der Laufzeitverlängerung.

„Es ist teil­wei­se erschreckend, dass man sol­che Infor­ma­tio­nen nicht brei­ter ver­mit­telt bekommt. Die­sen Film soll­ten sich die Men­schen wirk­lich ein­mal anse­hen. Ich fin­de es eine Unver­schämt­heit, dass Deutsch­land mit Mil­li­ar­den­bürg­schaf­ten für neu zu bau­en­de Atom­kraft­wer­ke im Aus­land bereit steht und die Öffent­lich­keit so gut wie nichts davon erfährt“, mein­te etwa Max Weiß aus Bayreuth.

Auf brei­tes Unver­ständ­nis stieß auch die Tat­sa­che, dass die Kosten des Rück­baus von Atom­kraft­wer­ken der Steu­er­zah­ler tra­gen müs­se und nicht die Betrei­ber. „Wie soll man das denn den Men­schen klar­ma­chen? Die Mil­li­ar­den­ge­win­ne der Ener­gie­kon­zer­ne müs­sen auch für die gesam­ten Kosten der Kern­kraft wie Ent­sor­gung oder für die Castor­trans­por­te ver­wen­det wer­den“, so der Stadt­ver­bands­vor­sit­zen­de Dr. Micha­el Struck.