Das Forum Kul­tur der Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg kürt Enoch zu Gut­ten­berg zum „Künst­ler des Monats“ Oktober.

Baron Enoch zu Guttenberg

Baron Enoch zu Guttenberg

Frei­geist – Bekennt­nis­mu­si­ker – Kon­ser­va­ti­ver Extre­mist – Beken­nen­der Apo­ka­lyp tiker. Die Auf­zäh­lung ein­drucks­vol­ler Epi­the­ta ornan­tia, mit denen die schrei ben­de Zunft das Leben & Wir­ken Enoch zu Gut­ten­bergs zu fas­sen ver­sucht, lie­ße sich mühe­los um etli­che, meist para­do­xe Wen­dun­gen erweitern.

Der Wider­spruch als gei­sti­ge und mora­li­sche Antriebs­kraft ist der Bio­gra­phie des 1946 im ober­frän­ki­schen Stamm­schloss derer zu Gut­ten­berg Gebo­re­nen ein­ge schrie­ben. Die Wahl des Musi­ker­berufs war für den Stamm­hal­ter nicht vor­ge­se­hen und muss­te gegen den mas­si­ven Wider­stand des Vaters und den Arg­wohn der Fami­lie mit gro­ßem Nach­druck durch­ge­setzt wer­den. Nach dem Kom­po­si­ti­ons und Diri­gier­stu­di­um in Salz­burg und Mün­chen begann er die Musik­sze­ne nicht nur mit aus dem Rah­men des Übli­chen fal­len­den Inter­pre­ta­tio­nen zu pro­vo­zie­ren, son­dern auch mit Fra­ge­stel­lun­gen hin­sicht­lich der Ver­ant­wor­tung des Diri­gen­ten gegen­über dem Noten­text, gegen­über den ihm anver­trau­ten Musi­kern und ge gen­über dem Publi­kum alte Denk­scha­blo­nen auf­zu­bre­chen. Mit sei­nem umwelt poli­ti­schen Enga­ge­ment, unter ande­rem als Grün­dungs­mit­glieds des BUND, er weck­te er wei­te­ren Arg­wohn beim musi­ka­li­schen Estab­lish­ment, das zeit­auf­wen diges Enga­ge­ment in ande­ren Lebens­be­rei­chen – und sei­en es die wich­tig­sten – mit Aus­flucht vor der Fron einer „Kar­rie­re“ gleich setzt.

Frei von der­lei Erwä­gun­gen hat Enoch zu Gut­ten­berg von Anfang an, und lan­ge bevor der Begriff in Mode war, auch in sei­nem Haupt­be­ruf, den er stets als Beru fung ver­stan­den hat, auf Nach­hal­tig­keit gesetzt und dabei einen lan­gen Atem be wie­sen. Die 1967 von ihm ins Leben geru­fe­ne Chor­ge­mein­schaft Neu­beu­ern re prä­sen­tiert nicht nur ein voka­les Klang­ide­al, das so nur aus dem Sin­gen einer übers Musik­ma­chen hin­aus­ge­hen­den Gemein­schaft resul­tie­ren kann, sie zählt mitt­ler­wei­le zu den füh­ren­den Chö­ren der gesam­ten Repu­blik und dies, obwohl sie sich immer noch weit­ge­hend aus Lai­en zusam­men­setzt. Mit der 1997 ins Le ben geru­fe­nen Klang­ver­wal­tung hat er zudem ein Pro­jek­torche­ster zur Ver­fü­gung, in dem sich exzel­len­te Musi­ker aus ver­schie­den­sten Spit­zen­or­che­stern ganz und gar sei­nen eigen­wil­li­gen und eigen­sin­ni­gen Inter­pre­ta­tio­nen ver­schrie­ben haben. Allen Mar­ke­tin­ger­wä­gun­gen zum Trotz haben er und sei­ne Mit­strei­ter auf den pro­duk­ti­ve Miss­ver­ständ­nis­se pro­vo­zie­ren­den Titel Klang­ver­wal­tung gesetzt. Ver wal­tung ist natür­lich nicht als Admi­ni­stra­ti­on gemeint, son­dern als eine ganz alt modi­sche Selbst­ver­pflich­tung, das vom Kom­po­ni­sten inten­dier­te so getreu und so nahe am Noten­text wie mög­lich zu „ver­wal­ten“. Dazu gehört nicht nur ein stän­di ges Neu­be­fra­gen der schein­bar längst ver­trau­ten Tex­te – das Reper­toire Enoch zu Gut­ten­bergs ist viel­leicht nicht so umfang­reich, wie das vie­ler ande­rer Diri­gen­ten, aber es umfasst nur sol­che Wer­ke und Kom­po­ni­sten, die ihm per­sön­lich wich­tig, ja lebens­wich­tig sind – jede Auf­füh­rung soll Inter­pre­ten und Zuhö­rer emo­tio­nal so auf­rüt­teln, dass sie über­zeugt sind, das Werk erst­mals gehört und erlebt zu ha ben.

Ein letz­tes Para­do­xon muss anläss­lich unse­rer Wahl zum Künst­ler des Monats er wähnt wer­den: Enoch zu Gut­ten­berg, der lan­ge vor sei­nem inzwi­schen sehr pro minen­ten Sohn Karl-Theo­dor den Namen sei­ner ober­frän­ki­schen Hei­mat und Her kunft in die Welt hin­aus­ge­tra­gen hat, ist in der Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg ver gleichs­wei­se sel­ten zu hören. Wer ihn live erle­ben will, muss nach Mün­chen, Frank­furt oder in die gro­ßen Kon­zert­sä­le der Musik­welt. Zwar haben ihn die Hofer Sym­pho­ni­ker im Jahr 2003 zu ihrem Ehren­di­ri­gen­ten gemacht, den­noch bleibt zu wün­schen, dass die­ser außer­or­dent­li­che Musi­ker in unse­rer Regi­on in Zukunft häu­fi­ger zu erle­ben ist.