Reli­gi­ons­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: „Bud­dhi­sten medi­tie­ren“ und ande­re Klischees

Oliver Freiberger

Oli­ver Freiberger

Der Indo­lo­ge und Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler Dr. habil. Oli­ver Frei­ber­ger, Assi­stant Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­ty of Texas at Austin, war jetzt bei der Bay­reu­ther Reli­gi­ons­wis­sen­schaft zu Gast. Frei­ber­ger, der bis 2004 Assi­stent am Bay­reu­ther Lehr­stuhl für Reli­gi­ons­wis­sen­schaft I gewe­sen war, prä­sen­tier­te im Rah­men der Wil­liam-James Gast­pro­fes­sur für Reli­gi­ons­for­schung neue­ste For­schungs­er­geb­nis­se zum indi­schen Buddhismus.
Dass der Bud­dha („der Erwach­te“) ein ratio­na­ler Phi­lo­soph und die frü­hen Bud­dhi­sten besitz­lo­se Mön­che waren, dass der Bud­dhis­mus eine tole­ran­te Reli­gi­on ist und dass Medi­ta­ti­on sei­ne zen­tra­le reli­giö­se Pra­xis bil­det, gehört heu­te zur All­ge­mein­bil­dung. Umso über­ra­schen­der war für die Teil­neh­mer der Vor­le­sungs­rei­he, dass die­ses Bild des Bud­dhis­mus vor der neue­ren For­schung kaum mehr bestehen kann.

Prä­gend für das euro­päi­sche Bud­dha-Bild war die 1844 ver­öf­fent­lich­te Stu­die Intro­duc­tion à l’hi­stoire du Boud­dhis­me indi­en des fran­zö­si­schen Ori­en­ta­li­sten Eugè­ne Bur­nouf. Des­sen Vor­stel­lung vom Bud­dha als einem ethisch han­deln­den und ratio­nal argu­men­tie­ren­den Phi­lo­so­phen spie­gelt das Ide­al der euro­päi­schen Auf­klä­rung von einer ver­nünf­ti­gen Reli­gi­on wider. Die neue­re For­schung ernüch­tert dem gegen­über zunächst mit der Fest­stel­lung, dass die erhal­te­nen histo­ri­schen Quel­len kaum Aus­sa­gen über die Per­son des Bud­dha zulas­sen. Denn bei die­sen Quel­len han­delt es sich um Erzäh­lun­gen, die erst Jahr­hun­der­te nach sei­nem Tod (ver­mut­lich um 400 vor Chri­stus) von Anhän­gern ver­fasst wur­den und die viel­fäl­ti­ge und wider­sprüch­li­che Aus­sa­gen ent­hal­ten. Unter­sucht man die­se Erzäh­lun­gen aber dar­auf­hin, wie die frü­hen Bud­dhi­sten sich den Bud­dha vor­stell­ten, so tritt er nicht nur als über­zeu­gen­der Phi­lo­soph auf, son­dern auch als über­le­ge­ner Wun­der­tä­ter mit magi­schen Kräf­ten. Hier­auf geht ver­mut­lich auch zurück, dass unmit­tel­bar nach dem Tod des Bud­dha ein Kult um sei­ne Reli­qui­en begann, der in den bud­dhi­sti­schen Tra­di­tio­nen Asi­ens bis heu­te fortbesteht.

In ähn­li­cher Wei­se wider­leg­te Frei­ber­ger ande­re Kli­schees über den Bud­dhis­mus: Er zeig­te, dass frü­he bud­dhi­sti­sche Klö­ster kei­ne abge­schie­de­nen Ein­sie­de­lei­en waren, son­dern zu bedeut­sa­men Insti­tu­tio­nen regio­na­ler Waren- und Geld­wirt­schaft her­an­wuch­sen. Auch der ein­zel­ne Mönch und die ein­zel­ne Non­ne konn­ten über umfang­rei­chen Pri­vat­be­sitz ver­fü­gen, der mit­un­ter sogar Leib­ei­ge­ne und Skla­ven umfass­te. Eben­so wies Frei­ber­ger anhand der Quel­len nach, dass der frü­he Bud­dhis­mus neben Tole­ranz auch ganz ande­re Umgangs­wei­sen mit Nicht-Bud­dhi­sten zeig­te, inklu­si­ve Ansprü­chen auf allei­ni­ge Gül­tig­keit und Pole­mik gegen­über Andersgläubigen.

In der wei­te­ren Vor­le­sung zeig­te Frei­ber­ger an vie­len Bei­spie­len die Viel­falt bud­dhi­sti­scher Leh­ren und Prak­ti­ken, Schul- und Ordens­bil­dun­gen auf. So galt neben dem Heils­ziel des nir­vāṇa auch der Auf­ent­halt in einem Him­mel für Lai­en wie Mön­che durch­aus als erstre­bens­wer­tes Ziel, dem man sich durch Gaben­spen­den annä­hern konn­te – dra­stisch aus­ge­mal­te Höl­len­vor­stel­lun­gen bil­de­ten dazu das Gegen­stück. Auch führ­te Frei­ber­ger aus, dass Medi­ta­ti­on für den Groß­teil asia­ti­scher Bud­dhi­sten, Lai­en wie Mön­che, kei­ne Rol­le spielt.

In einer Rei­he von Schlag­lich­tern beleuch­te­te Frei­ber­ger die Aus­brei­tung des Bud­dhis­mus über den indi­schen Sub­kon­ti­nent sowie nach Tibet und Ost­asi­en. Zu den gro­ßen Fra­gen der For­schung gehört, war­um der Bud­dhis­mus dort ab dem 12./13. Jahr­hun­dert unter­ging; sehr gut konn­te hin­ge­gen sei­ne Wie­der­be­le­bung in Sri Lan­ka im 19. Jahr­hun­dert erforscht wer­den, für die die Grün­der­ge­stal­ten der Theo­so­phi­schen Gesell­schaft, die Rus­sin Hele­na Petrov­na Blava­ts­ky und der Ame­ri­ka­ner Hen­ry Steel Olcott, eine zen­tra­le Rol­le spielten.
Oli­ver Frei­ber­ger rief in sei­ner Gast­vor­le­sung die Zuhö­rer dazu auf, ver­meint­li­ches Wis­sen über reli­giö­se Tra­di­tio­nen immer wie­der neu auf den Prüf­stand zu stel­len und durch minu­tiö­se Erschlie­ßung und Ana­ly­se der zugäng­li­chen histo­ri­schen Quel­len zu revi­die­ren. Dies ver­lan­ge auch, sich als For­schen­de Rechen­schaft über die eige­nen Moti­ve und Erwar­tun­gen zu geben. In Anleh­nung an den Namens­ge­ber der Gast­pro­fes­sur, den ame­ri­ka­ni­schen Reli­gi­ons­psy-cho­lo­gen Wil­liam James, mahn­te Frei­ber­ger abschlie­ßend, sich vor „Über­sim­pli­fi­zie­rung“ zu hüten, da Reli­gio­nen nicht „ein Wesen, son­dern vie­le Eigen­ar­ten“ hätten.

Zur Per­son:
Dr. habil. Oli­ver Frei­ber­ger stu­dier­te in Göt­tin­gen Indo­lo­gie, Reli­gi­ons­wis­sen­schaft und Tibe­to­lo­gie. Nach sei­ner Pro­mo­ti­on im Fach Indo­lo­gie war er 1995 bis 2004 Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl für Reli­gi­ons­wis­sen­schaft (Pro­fes­sor Dr. Ulrich Ber­ner). Seit 2004 ist er Assi­stant Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­ty of Texas at Austin in den Depart­ments für Asi­an Stu­dies und Reli­gious Stu­dies. 2009 habi­li­tier­te er sich an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit der im glei­chen Jahr bei Har­ras­so­witz erschie­ne­nen Arbeit „Der Aske­se­dis­kurs in der Reli­gi­ons­ge­schich­te: Eine ver­glei­chen­de Unter­su­chung brah­ma­ni­scher und früh­christ­li­cher Texte“.

Hin­ter­grund:
Die Wil­liam James-Gast­pro­fes­sur wird seit 2006 von der Bay­reu­ther Reli­gi­ons­wis-sen­schaft aus­ge­rich­tet. Seit­dem hat­ten Heinz Mür­mel (Leip­zig), Tho­mas Luck­mann (Kon­stanz), Mari­on Bow­man (Eng­land), Bulent Sen­ay (Tür­kei), Joa­chim Gentz (Schott­land) und Jens Schlie­ter (Schweiz) die Gast­pro­fes­sur inne.
Wei­te­re Informationen:
http://​www​.reli​gi​on​.uni​-bay​reuth​.de